Jonas Monka

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Erich Franz

Unverfügbare Präsenz

Zu A00114


Katharina Monka stellt – oder hängt – nicht ein Werk in den Raum. Fast jeder Künstler benutzt die Galerie, den Ausstellungsraum, den white cube als Hintergrund für sein Werk. Der Betrachter betritt einen Raum, beide verbindet eine gemeinsame Gegenwart. Von dieser Gegenwart unterscheidet sich das Werk, es wurde zuvor installiert und bringt seine Vergangenheit mit, sein Konzept und seine Herstellung. Es ist tendenziell abgeschlossen und aus der Zeit genommen, selbst wenn es als Environment oder Performance auf den Raum und die Gegenwart hin geöffnet ist.


Katharina Monkas "Werke", ihre in den Raum eingefügten Materialien treten nicht hervor, sie stellen sich nicht in den Vordergrund, sondern ziehen sich vor dem Blick zurück, sie diffundieren gewissermaßen in den realen Ausstellungsraum. Sie verschmelzen mit dessen nüchterner Gegenwart, als gehörten sie zu ihm – als Stellwand aus Möbelholz und Schreinerleisten, als Grafikschrank, Podest, Sockel. Bisweilen hängt oder lehnt ein kleines Foto an der Wand, das häufig wieder nichts anderes zeigt als das Detail einer ähnlichen Ausstellungssituation. Doch manchmal taucht auch unvermittelt ein menschlicher nackter Körper auf – in einer Fotografie, in anderen Arbeiten auch als plastisches Gebilde, meist fragmentiert, überraschend und gänzlich isoliert. Dieses fremde Element kann auch einmal ein Text sein oder ein metallener Fräskopf, ein Klang, ein aufgeschwollenes Gebilde aus Bauschaum. Man erschrickt fast, die Kontinuität des leeren Raumes wird auf leise, aber provokative Art durchbrochen. Doch auch dieser Einschub tritt nicht als Werk hervor, er bewahrt seine Beziehungslosigkeit zur "Ausstellung".


Katharina Monkas Arbeit erfüllt nicht die Erwartung, dass etwas ausgestellt wird. Dadurch tritt eigentlich alles nach vorne, was man im Ausstellungsraum sieht, alles wird wichtig, jede Kante, jeder Abstand, jedes Detail. Nichts bleibt nebensächlich, doch lässt sich auch nichts fokussieren. Man findet weder ein Zentrum im Räumlichen noch eine Abgeschlossenheit im Zeitlichen. Alles, worüber der Blick hinweggleitet, gehört zur Gegenwart des Betrachters im Raum. Er findet kein Gegenüber, nichts ist fertiggestellt. Er trifft allein auf seine aktuelle Erfahrung.


Die Arbeit A00114 unterstreicht diese Gegenwärtigkeit durch eine permanente Handlung. "Ausstellung" ist hier nicht Zustand, sondern performatives Geschehen – jedoch ebenfalls ohne abgeschlossenen Werkcharakter. Der Ausstellungsraum wird von einer ständigen, wenn auch sehr verhaltenen Aktion erfüllt. Der Galerist schiebt das Hilfsgestell aus Möbelholz zur Seite, nimmt eine Deckplatte weg und stellt sie ab, schiebt später den Grafikschrank an eine andere Stelle und tut, was zu seiner Aufgabe gehört: Er nimmt Bilder aus der Schublade und hängt sie an die Wand. Alles ist verschiebbar, beweglich und wird wieder weggeräumt. Die Anordnungen, die der Galerist herstellt, ergeben kein festes Ensemble. Aber auch die Bilder, die Fotografien, die der Galerist aufhängt, bleiben meistens fast leer. Einige zeigen ähnliche Raumsituationen oder Details wie in der gegenwärtigen Ausstellung – oder auch eine leere, geschwärzte Fläche. Wieder findet der Blick kein Motiv.


Einige andere Fotografien lösen sich jedoch aus diesem Bezug zur präsenten Umgebung. Der Galerist hängt eine verglaste Fotografie auf, aus deren heller Fläche sich in der Mitte so etwas wie ein zusammengerolltes Stück Haut abhebt, leicht ins Rötliche getönt und wie mit einer milchigen Masse überzogen. Ein anderes, kleines Farbfoto lässt gerade noch unscharf eine Aktfigur erkennen. Ein großer fotografischer Abzug, den der Galerist an der Wand entrollt, zeigt einen männlichen Akt, schwarzweiß, lebensgroß, in frontaler Pose mit erhobenen Händen. Die Werkangabe bezeichnet ihn als "ein Mann als Olga Desmond". Außerdem gibt es das Foto eines schwarzen plastischen Objekts, das ein wenig wie ein Kopf oder eine surrealistische Skulptur aussieht, angeblich ein "Analplug als Madonna". Ebenso schön wie auch unerklärlich ist der Text einer Beschreibung des "Arfak-Strahlenparadiesvogels". Sie alle wirken eindringlich in dieser stillen Umgebung, die von ihnen in keinem Fall durchbrochen wird. Eine Deutung, eine Begründung bieten die unerklärlichen Bilder nicht. Doch gerade deshalb wirken sie eindringlich – durch ihre Unverbundenheit und Fremdheit in der präsenten Leere des Ausstellungsraums. Der Betrachter wird sie nicht vergessen, weder ihre Eindrücke noch seine eigenen Assoziationen. Was bleibt und was das "Werk" ausmacht, ist diese schweifende, unfixierbare und faszinierende Erfahrung, ihre unverfügbare Präsenz.

 

 

 

Erich Franz

translated by Paul Bowmann


Intangible Presence

On Katharina Monka's A00114

 

(excerpt)


Katharina Monka's "works", her materials inserted into space, do not stand out, nor do they take centre stage, and they do not fulfil the expectation that something is being exhibited. Rather, they draw back from the gaze and diffuse themselves, as it were, through the real exhibition setting. In this way, everything actually stands out, everything becomes important, ever corner, every gap, every detail. There is neither a centre to be found in the spatial, nor a closure in the temporal. Everything the gaze skims over is part of the viewer's present in space.


The work A00114 underlines this present presence through a permanent action. Here "exhibition" is not a state, but a performative event – without possessing however the finished character of a work. A constant, albeit very restrained action fills the exhibition space. The gallerist slides the construct made of furniture timber to one side, removes a covering panel and sets it aside, later moves the graphics cabinet to another place and does what is part of his task: he takes pictures out of a draw and hangs them on the wall. Everything can be shifted around, is movable and is cleared away again. The arrangements the gallerist creates do not result in a fixed ensemble. But the pictures, the photographs which the gallerist hangs also remain mostly almost blank. Some show spatial situations or details similar to the present exhibition – or a blank, blackened surface. Again, the gaze does not find a motif.


A few other photographs detach themselves from this connection to the present setting however. The gallerist hangs a glassed photograph; out of its lightly coloured surface, in the middle, something like a piece of rolled-up skin protrudes, ever so subtly shaded into reddish tones and covered over with a milky mass. Another small colour photograph barely allows a blurry nude figure study to be discerned. A large photographic print, which the gallerist unrolls on the wall, shows a male nude, black and white, life size, in frontal pose with raised hands. The work information describes him as "a man as Olga Desmond". There is also a photo of a black plastic object that looks a little like a head or a Surrealist sculpture, apparently a "butt plug as Madonna". Just as beautiful and inexplicable is the text describing the bird-of-paradise "Arfak parotia". They all unfurl a haunting presence in this still setting, which is however breached by none of them.


An interpretation, an explanation is not offered. But it is precisely because of this that the pictures have such a powerfully haunting impact – through their disconnectedness and strangeness in the present emptiness of the exhibition space. What remains and what makes up the "work" is this sweeping, unfixable and fascinating experience, its intangible presence.


from F 00115 Katharina Monka, Röj Forlag, 2015